Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik und Poliklinik
Abteilung für Allgemeine Klinische Medizin und Psychosomatik
Wie wird das Fibromyalgie-Syndrom behandelt?
Wir arbeiten mit einem multimodalen Behandlungskonzept, d.h. wir behandeln die Erkrankung gleichzeitig von mehreren Seiten. Ein Medikament alleine, das Ihnen alle Ihre Beschwerden nimmt, gibt es (noch) nicht.
Sie sollten nach dem Lesen dieses Abschnitts für sich selbst entscheiden, welche der verschiedenen Behandlungsansätze für Sie in Frage kommen und wie Sie diese konkret umsetzen können und wollen.
Meist ist es schwierig, von allen Seiten gleichzeitig etwas verändern zu wollen. Insofern ist es völlig in Ordnung, wenn Sie sich zunächst nur für ein oder zwei der verschiedenen vorgestellten Maßnahmen entscheiden. In diese sollten Sie dann aber möglichst viel Ihrer Energie stecken, um eine Verbesserung Ihres Befindens zu erreichen.Die Bausteine der multimodalen Behandlung sind:
· Bewegungstherapie und physikalische Maßnahmen
· medikamentöse Therapie
· Entspannungsverfahren
· ambulante integrierte Gruppentherapie
· Psychotherapie
Bewegungstherapie:
Vielleicht haben Sie selbst schon die Erfahrung gemacht, dass sich Gymnastik und Bewegung langfristig gesehen positiv auf Ihre Schmerzen auswirken. Bewegung hält die Muskeln und Bänder geschmeidig und wirkt einer durch Schonhaltung begünstigten Bänderverkürzung entgegen. Langfristig gesehen führt regelmäßige Bewegung zu einer Schmerzreduktion, weil Ihr Bewegungsapparat durch das regelmäßige Training in einen besseren Funktionszustand versetzt wird.
Wichtig ist deshalb eine regelmäßige Krankengymnastik, die der Lockerung und Kräftigung der Sehnen und Muskeln dient. Am effektivsten ist die Gymnastik, wenn Sie sie nicht nur einmal wöchentlich in der Praxis ihrer Krankengymnastin durchführen, sondern täglich zu Hause ein paar Minuten üben. Wir wissen, dass dies nicht ganz leicht ist und eine hohe Motivation von Ihnen fordert, aber dies ist bislang der effektivste Weg, Ihre Schmerzen zu reduzieren. Es kommt hierbei nicht auf Höchstleistungen sondern eher auf die Regelmäßigkeit an. Fünf Minuten täglich sind besser als einmal eine Stunde pro Woche.
Außerdem haben sich gewisse Sportarten als besonders geeignet für Fibromyalgiepatienten erwiesen: Dazu gehören Schwimmen und Aquajogging, Radfahren, Walken (zügiges Spazierengehen) und Tanzen.
Diesen Sportarten ist gemeinsam, das sie gelenkschonend sind und als "Gesundheitssportarten" gelten.
Vermeiden sollten Sie möglichst alle Sportarten, die mit ruckartigen Bewegungen oder großer Kraftanstrengung einhergehen: Kraftsport und Gewichtheben, Squash, Tennis.Physikalische Maßnahmen:
Hier gilt das Prinzip: Alles ist erlaubt, was Ihnen gut tut. Von vielen Patienten werden leichte Massagen, Lymphdrainage und vor allem Wärmeanwendungen als wohltuend und lindernd empfunden. Wenn dies bei Ihnen auch der Fall ist, sollten Sie diese Verfahren gezielt einsetzen.
Wärme können Sie sich auf viele Arten zuführen: Warme Entspannungsbäder, warme Duschen, Wärmflasche, Heizdecke, Kirschkernkissen, Rotlicht, Sauna, Heizluft, Fango, Thermalbadbesuche, etc..
Vielleicht denken Sie jetzt: Das hilft mir zwar, aber alles nur für eine kurze Zeit. Es kann jedoch hilfreich sein, bei akuten Schüben ein Mittel an der Hand zu haben, das die Schmerzen auch kurzfristig lindert. Außerdem können bei regelmäßiger konsequenter Anwendung auch diese Maßnahmen dazu beitragen, dass Ihr durchschnittlicher Schmerzwert langfristig sinkt.
Von einem kleinen Teil der Patienten wird eher Kälte als wohltuend empfunden. Falls Sie zu dieser Gruppe gehören, so sollten sie sich ebenfalls gezielt Kälte zuführen, z.B. durch auflegen von Coolpacks, durch Eisabreibungen oder ähnliches.Entspannungsverfahren:
Aus vielen Untersuchungen wissen wir, dass chronische Schmerzen reaktiv zu einer stärkeren Anspannung der Muskulatur führen. Dies führt dann wiederum zu einer Schmerzzunahme, und so kann ein nur schwer zu durchbrechender Teufelskreis entstehen, indem sich Anspannung und Schmerz gegenseitig immer weiter hochregulieren.
Durchbrochen werden kann dieser Kreislauf, wenn Sie es erreichen, sich ganz bewusst und gezielt zu entspannen. Da dies kaum jemand auf Kommando kann, wurden bestimmte Verfahren entwickelt, mit denen man sich gezielt zu entspannen lernt. Die bekanntesten Methoden sind das Autogene Training und die Progressive Muskelentspannung nach Jakobson. Alternativverfahren mit ebenfalls entspannendem Effekt können Feldenkrais, Yoga, Tai Chi, Chi Gong etc. sein.
Für das Video ist die Installation von Quicktime erforderlich, das Sie auf der Webseite von Apple laden können.
Zum Glück gibt es eine ganze Reihe von Methoden zur Auswahl, da nicht jeder mit allen Methoden gleich gut zurecht kommt. Vielleicht haben Sie schon eine dieser Methoden in einer Kurmaßnahme kennengelernt. Falls dem nicht so sein sollte, so können Sie sich bei Ihrer Volkshochschule erkundigen, dort werden immer wieder Kurse zu Entspannungsverfahren angeboten. Wenn Sie eine solche Methode erlernen und regelmäßig im Alltag einsetzen, so wird sich dadurch ein positiver Effekt auf Ihre Schmerzen einstellen.
Medikamentöse Behandlung:
Auch Medikamente werden bei der Behandlung des Fibromyalgie-Syndroms eingesetzt. Hierbei sollten Sie jedoch wissen, dass diese Medikamente nur einen unterstützenden Wert haben und bei weitem nicht die vorher erwähnten, noch wesentlich wichtigeren aktiven Maßnahmen ersetzen können. Ein Medikament, das die Fibromyalgie heilen oder völlig aufheben könnte, gibt es bislang leider nicht.
Zwei Kategorien von Medikamenten kommen hauptsächlich zum Einsatz: Schlafverbessernde Mittel und Schmerzmittel:Schmerzmittel:
Diese sollten möglichst nur sparsam zum Einsatz kommen, z.B. wenn Sie einen starken Schub ihrer Erkrankung durchmachen, besser nicht täglich. Schmerzmittel können die Schmerzen nicht völlig beseitigen, können aber häufig zu Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden führen.
Geeignet sind Schmerzmittel mit wenigen Nebenwirkungen, z.B. Paracetamol oder Novalgin. In seltenen Fällen können auch Tramaltropfen notwendig werden.
Vermeiden sollten Sie die Einnahme von antientzündlichen Schmerzmitteln (den sogenannten NSARs = nicht steroidale Antirheumatica), z.B. Aspirin, Voltaren (Diclofenac), Ibuprofen. Da bei der Fibromyalgie keine Entzündung vorliegt, sind diese Schmerzmittel nicht notwendig oder sinnvoll.Schlafverbessernde Medikamente (z. B. Amitriptylin, Saroten, Novoprotect, etc.):
Diese Medikamente werden hauptsächlich zur Schlafverbesserung beim Fibromyalgiesyndrom eingesetzt. In großen Studien konnte gezeigt werden, dass sie bei etwa der Hälfte aller Fibromyalgiepatienten einen positiven Effekt haben.
Amitriptylin ist in einer hohen Dosierung (100 - 150 mg) ein Antidepressivum (ein Medikament gegen Depressionen). Bei der Behandlung der Fibromyalgie wird es jedoch in erheblich geringeren Dosen (5 - 25 mg) eingesetzt und wirkt dann nur noch schlafanstoßend und entspannend, nicht mehr gegen Depressionen. Zusätzlich scheint es jedoch auch einen davon unabhängigen positiven Effekt auf die Schmerzen zu haben, obwohl es kein ausgesprochenes Schmerzmittel ist.
Außerdem gehen wir davon aus, dass das Medikament direkt auf die Ursache der Schmerzen wirkt. Wie wir Ihnen weiter oben erklärt haben, liegt zum Teil beim Fibromyalgie-Syndrom im Zentralnervensystem eine verminderte Konzentration des Botenstoffes Serotonin vor. Amitriptylin erhöht die Konzentration dieses Stoffes im Gehirn wieder. So erklärt man sich die positiven Effekte auch auf einige andere Beschwerden beim Fibromyalgie-Syndrom.
Wenn Sie sich zur Einnahme dieses Mittels entschließen, sollten Sie einiges dazu beachten. Amitriptylin ist eines der wenigen Schlafmittel, die nicht abhängig machen. Sie können das Medikament also bedenkenlos einnehmen und auch jederzeit wieder absetzen, wenn es Ihnen nicht hilft. Um die Wirksamkeit des Medikaments bei Ihnen zu überprüfen, sollten Sie es jedoch mindestens für zwei Wochen regelmäßig vor dem Zubettgehen einnehmen, denn erst nach ca. zwei Wochen entfaltet es seine beste Wirkung.
Auch über Nebenwirkungen sollten Sie ausreichend informiert sein.
Die häufigste Nebenwirkung ist Mundtrockenheit, die fast bei jedem damit behandelten Patienten auftritt. Diese wird im Laufe der Behandlung aber geringer und bildet sich sofort wieder zurück, sobald das Medikament abgesetzt wird. Seltener kann es zu einer Gewichtszunahme oder zu verstärkter Müdigkeit kommen.
Wenn Amitriptylin bei Ihnen gut wirkt, dann können Sie es bedenkenlos auch über einen sehr langen Zeitraum einnehmen.Ambulante integrierte Gruppentherapie:
Aus mehrjähriger Erfahrung und intensiver Forschung wissen wir, dass eine ambulante Behandlung, die sowohl medizinische und bewegungsbezogene als auch psychische Bestandteile der Fibromyalgie berücksichtigt, zu einer Befindensbesserung beitragen kann. Die Fibromyalgie-Gruppe wird von der Rheuma- und Schmerzambulanz der Abteilung Innere Medizin II der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg durchgeführt. An den Gruppen nehmen jeweils 8 - 10 Fibromyalgie-Patienten teil, die sich über einen Zeitraum von 10 Wochen jeweils donnerstags abends (18 - 19.30 Uhr) immer in der gleichen Zusammensetzung treffen.Worum geht es in der Gruppe?
Sämtliche Gruppensitzungen werden von einer Ärztin und einer Feldenkrais-Bewegungstherapeutin durchgeführt. Entsprechend gliedert sich jede Sitzung zu etwa der Hälfte der Zeit in eine Gesprächsrunde und in einen bewegungstherapeutischen Teil.
Wichtige inhaltliche Schwerpunkte der Gruppen bilden die gegenseitige Informationsvermittlung und Erfahrungsaustausch, Reflexion der individuellen Krankheitsgeschichten, des Umgangs mit den Schmerzen und eigenen Veränderungsmöglichkeiten.
Im bewegungstherapeutischen Teil der Gruppe werden Sie die Feldenkrais-Methode kennenlernen. Bei dieser Methode wird mit vielfältigen Bewegungen experimentiert, um Ihre bewußte Wahrnehmung zu schulen. Ziel ist unter anderem auch das Erkennen von Funktionszusammenhängen, um vorhandene Fähigkeiten besser zu nutzen und bisher ungenutzte Möglichkeiten zu entdecken, um das Bewegungsrepertoire zu erweitern.Psychotherapie:
Es mag Ihnen zunächst befremdlich vorkommen, im Zusammenhang mit Ihrer Erkrankung an Psychotherapie zu denken, leiden Sie doch vor allem unter Schmerzen. Dennoch möchten wir an dieser Stelle erläutern, warum eine Psychotherapie gegebenenfalls sehr hilfreich sein kann:
Hinsichtlich einer Psychotherapie sind zwei Ziele wichtig. Einerseits ist es für die meisten Patienten nützlich, in ihrer aktuellen Lebenssituation auf Belastungen, Überlastungen, Spannungen und Stress zu achten und mit Hilfe des Therapeuten zu lernen, ganz bewußt dagegenzusteuern. Andererseits kann es, wie oben schon erwähnt, für die Patienten außerordentlich hilfreich sein, die eigene Lebensgeschichte im Rahmen einer Therapie aufzuarbeiten, um auch den psychischen Anteil an der Entstehung oder Aufrechterhaltung der Erkrankung zu erkennen und damit die Verbesserungschancen zu optimieren.
Abschließende Bemerkung
Nun sind Sie fast am Ende dieses Programms angekommen. Unser Ziel war es, Sie umfassend über Ihre Erkrankung zu informieren. Außerdem haben wir versucht, Ihnen eine Richtung zu weisen, wie Sie Ihre Beschwerden wieder in den Griff bekommen und langsam aber sicher abbauen können.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Informationen auch einige Ängste im Bezug auf die Fibromyalgie nehmen konnten.Ihre Ärztinnen und Ärzte aus der Rheuma- und Schmerzambulanz der Abteilung Innere Medizin II (Universitätsklinik Heidelberg)